Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) in der Helmholtz-Gemeinschaft

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. 

Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.  

Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Um in der biomedizinischen Forschung aussagekräftige Daten zu erhalten, sind Experimente an Modellorganismen, vor allem an Mäusen, unverzichtbar. Eine entscheidende Rolle spielen genetisch veränderte (transgene) Mäuse, das sind Tiere, die eine oder mehrere definierte Mutationen stabil in ihrem Erbgut tragen und diese Mutation(en) weitervererben können. Diese einmaligen Mutanten haben einen großen Wert, man kann sie nur mit erheblichem Aufwand generieren und charakterisieren und ihre Zahl nimmt kontinuierlich zu. Kleine Populationen, permanente Verlustgefahr, häufig schlechtes Zuchtverhalten, die Weiterzucht sowie ein umfangreicher und auch sehr sinnvoller Austausch transgener Tiere zwischen unterschiedlichen Haltungen sind Herausforderungen an transgene Tierhaltungen. Tierverbrauch, Platzbedarf und Kosten zwingen zu Alternativen wie der Kryokonservierung. Grundsätzlich lassen sich frühe Embryonalstadien und Spermatozoen kryokonservieren (kontrolliert einfrieren). Nach ausreichender Kryokonservierung kann auf eine weitere Zucht verzichtet werden, die Proben können nahezu unbegrenzt in flüssigem Stickstoff (LN2) bei –196 °C gelagert werden. Jede Kryokonservierung muss individuell geplant werden.

Welche Stadien können kryokonserviert werden?

Embryonen:

Präimplantationsembryonen (Eileiterstadien) werden in einem mehrstufigen Prozess eingefroren, der nach der Revitalisierung erforderliche Embryotransfer führt gleichzeitig zur hygienischen Sanierung („Reinigung“ der entsprechenden Linie von infektiösen Partikeln). Diese Technologie lässt sich mit unterschiedlichen Ausbeuten bei fast allen genetischen Hintergründen von Mäusen erfolgreich anwenden. Werden Embryonen eingefroren, so erhält man nach der Revitalisierung das Tier zurück, das als Embryo eingefroren wurde. Diese Technik hat sich als „Gold Standard“ erwiesen. 

Die Überprüfung der Qualität der Kryokonservierung hat sich als unbedingt notwendig erwiesen, ist aber nur mit dem Verlust der Probe möglich, was bei Linien mit schlechten Embryonenausbeuten problematisch werden kann. Die Qualität der kryokonservierten Embryonen wird mittels Kultivierung, Austragen nach Embryotransfer und Genotypisierung überprüft, gegebenenfalls müssen weitere Embryonen kryokonserviert werden. Eine Regenotypisierung der Spendertiere ist bei diesem Ansatz nicht immer möglich. Die durchschnittliche Revitalisierungsrate liegt bei deutlich über 80 % der aufgetauten Embryonen. Wegen des Sanierungseffekts des anschließenden Embryotransfers können die Tiere unter den hygienischen Verhältnissen der Zielhaltung ausgetragen werden.

Spermatozoen:

Reife Spermatozoen werden der Epididymis des Spendertiers entnommen. Die Spermien lassen sich mit relativ geringem Aufwand in Stickstoffdampf einfrieren. Hier gibt es kaum Mengenprobleme. Allerdings ist die zur Revitalisierung erforderliche in vitro-Fertilisation (IVF) aufwändig und nicht immer erfolgreich. Nach einer IVF erhält man nach Übernachtkultur zweizellige Embryonen, die in scheinträchtige Ammen zum Austragen transferiert werden. Bei erfolgloser IVF gibt es alternative Techniken, die allerdings sehr komplex sind. Nach dem gängigen Stand der Technik wird eine Kryokonservierung als erfolgreich bezeichnet, wenn sich mikroskopisch eine ausreichende Motilität der aufgetauten Spermatozoen nachweisen lässt, oder, aussagekräftiger, wenn sich nah einer Kontroll-in vitro-Fertilisation mit nachfolgendem Embryotransfer lebende transgene Tiere wieder erhalten werden. Da sowohl IVF als auch Embryotransfer gegenüber externen Einflüssen sehr sensible Techniken sind, besteht grundsätzlich die Gefahr, falsch-negative Ergebnisse zu erhalten. Wir haben eine alternative fluoreszenzmikroskopische Technik entwickelt, bei der die Plasmamembranintegrität der für die Qualität ausschlaggebende Parameter ist.

Alternative: Da die Kryokonservierung zu einer erheblichen Reduktion der Aktivität von Spermatozoen führen kann, besteht auch die alternative Möglichkeit, mit frisch präparierten Spermatozoen eine in vitro-Fertilisation vorzunehmen und anschließend die erhaltenen zweizelligen Embryonen zu kryokonservieren. Parallel dazu kann ein Großteil der Spermatozoen des Spendertiers kryokonserviert werden. Diese Technik bietet sich vor allem bei Mauslinien an, von denen man nur wenige Embryonen erhalten kann und deren Spermatozoen sich nur mit großem Qualitätsverlust kryokonservieren und revitalisieren lassen. Grundsätzlich birgt eine IVF die Gefahr des Auftretens epigenetischer Effekte.

Lagerung der Proben, Datenmanagement

Um möglichen Unfällen vorzubeugen, müssen die Proben einer Linie auf mehrere Lagerbehälter verteilt werden; diese sollten an unterschiedlichen Orten aufgestellt werden, um einen Totalverlust bei einem größeren Schaden zu verhindern. Vorteilhaft, aber teuer ist es, das kryokonservierte Material in der Flüssigphase des flüssigen Stickstoffs zu lagern, da diese äußerst stabil ist und nicht möglichen Temperaturschwankungen, z. B. beim Öffnen des Behälterdeckels, unterliegt. Die Lagerung ist physikalisch, biologisch und hygienisch sehr stabil.

Der Versand von kryokonserviertem Material mit nachfolgender Revitalisierung im Ziellabor ist einem Transport von lebenden Tieren deutlich vorzuziehen.

Neben der Sicherung der transgenen Mauslinien ist eine adäquate Dokumentation erforderlich, auch um den formalen Auflagen nachzukommen. Wir haben dafür eine umfangreiche Datenbank aufgebaut. 

Die Kryokonservierung ist auch ein Beitrag zum Tierschutz und den „3R“-Postulaten von Russell und Burch, da nach einer erfolgreichen Kryokonservierung die entsprechende Linie aus der Zucht genommen werden kann, grob gerechnet erspart die Kryokonservierung von 100 Linien etwa 15.000 Versuchstiere und die permanente Belegung von mindestens 300 Käfigen.

Simulation der Strahlenbelastung von kryokonservierten Mausproben bei Flügen

Die Kryokonservierung gentechnisch veränderter (Maus-) Linien verhindert den Verlust spezifischer Mutanten, die sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die angewandte Forschung von enormem wissenschaftlichem Wert sind. Die ausreichende Kryokonservierung von Spermatozoen oder Präimplantationsembryonen erlaubt das Einstellen der Zucht sowie die Archivierung spezifischer Linien für zukünftige Studien. Beim Austausch von Mutanten zwischen Laboratorien ist der Transport von kryokonserviertem Material deutlich dem von lebenden Tieren zu bevorzugen. Transportstress sollte jedoch nicht trivialisiert werden. Insbesondere das Sicherheits-Scannen von Transportbehältern an Flughäfen und beim Zoll sowie zusätzliche kosmische Strahlung exponieren die Proben mit undefinierten Strahlungsdosen. Um dies zu simulieren, wurden kryokonservierte Proben von Mausspermatozoen und Präimplantationsembryonen einer Dosis von 1 mGy in einem Röntgengerät ausgesetzt. Zur anschließenden Untersuchung der Zellintegrität von bestrahlten Spermien und Embryonen wurden die Vorwärtsmotilität der Spermien sowie die Embryonalentwicklungskapazität und die Apoptosewerte untersucht und mit nicht bestrahlten Kontrollen verglichen. Der Prozentsatz der sich vorwärts bewegenden Spermien pro Probe war nach Bestrahlung signifikant reduziert. Die in vitro-Entwicklungskapazität von Präimplantationsembryonen sowie ihr relativer Anteil an apoptotischen Zellen werden nicht durch Bestrahlung beeinflusst. Wir nehmen an, dass zumindest bei Präimplantationsembryonen Röntgendosierungen von 1 mGy keine (plötzlichen) schweren Zellschäden hervorrufen. Trotzdem haben stochastische Effekte ionisierender Bestrahlung, wie Mutationen, keine Dosierungsschwelle und stellen immer die potenzielle Gefahr von Veränderungen an Zellen und Zellbestandteilen, insbesondere der DNA, dar. Dies könnte zu undefinierten Mutationen führen, die eine genetische Drift induzieren, im schlimmsten Fall zum Verlust einer Mutantenlinie. Wir empfehlen daher dringend, den „Transportstress“, insbesondere durch Bestrahlung, zu minimieren, um die möglichen Folgen zu berücksichtigen und die Versandverfahren zu standardisieren.

Simulation of air travel related irradiation exposure of cryopreserved mouse germplasm samples

Cryopreservation of genetically modified (mouse) lines prevents the loss of specific mutants which are of enormous scientific value for both basic and applied research. Cryopreservation of spermatozoa or pre-implantation embryos enables discontinuation of breeding as well as archiving of specific lines for future studies. Regarding active inter-laboratory exchange of mutants, cryopreserved material is more advantageous to transport than live animals. However, transportation stress should not be trivialised. Security scanning of transport boxes at airports and customs, in particular, as well as additional cosmic radiation, pose a threat to undefined dosages of irradiation exposure. To simulate this, cryopreserved samples of mouse spermatozoa and pre-implantation embryos were exposed to an X-ray dosage of 1mGy in an X-ray machine. For subsequent investigation of the cell integrity of irradiated spermatozoa and embryos, spermatozoa forward motility as well as embryo developmental capacity and apoptosis values were examined and compared with non-irradiated control samples. The percentage of forward-moving spermatozoa per sample appears to be significantly reduced after irradiation exposure. The in vitro developmental capacity of pre-implantation embryos as well as their relative share of apoptotic cells do not seem to be influenced by irradiation exposure. This leads to the assumption that, at least in pre-implantation embryos, X-ray dosages of 1mGy do not induce (sudden) severe cellular harm. Nevertheless, stochastic effects of ionizing irradiation, such as mutations, do not have a dosage threshold and always represent potential danger of alterations to cells and cellular components, especially the DNA. This could lead to undefined mutations inducing genetic drift, in the worst case to the loss of a mutant line. We therefore strongly recommend minimizing “transportation stress”, in particular by irradiation exposure, to keep its potential consequences in mind, and to standardise shipping procedures.

Publikationen

Wayss K, Klefenz M, Schenkel J (2005): Cryopreservation of transgenic mouse embryos – an eight years experience. J Exp Anim Sci 43 (2), 69-85

Schenkel J (2006): Transgene Tiere, 2. Auflage. Lehrbuch, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, ISBN 978-3-540-28267-9

Schwab A, Schenkel J (2008): Collection, Cryopreservation, Storage And Revitalization Of Transgenic Mouse Embryos. Cold Spring Harb. Protoc.; doi:10.1101/pdb.prot5111

Schwab A, Schenkel J (2008): Factors influencing the Yield of Transgenic Mouse Embryos for Cryo-preservation. Scand J Lab Anim Sci. 35(4), 1-13

Diercks AK, Schwab A, Rittgen W, Kruspel A, Heuss E, Schenkel J (2010): Environmental influences on the production of pre-implantation embryos. Theriogenology 73, 1238-1243

Schenkel J (2010): Cryopreservation of transgenic mice and the 3Rs. Bf R expert workshop on „Imple-mentation and enforcement of the 3Rs principle in the field of transgenic animals used for scientific purposes“. ALTEX 27 (2):132

Staudt M, Trauth J, El Hindi I, Galuschka C, Sitek D, Schenkel J (2012): Managing major data of genetically modified mice – from scientific demands to legal obligations. Transgenic Res 21(5), 959-966.

Diercks AK, Schwab A, Bürgers H F, Schenkel J (2012): Improved assessment of frozen/thawed mouse spermatozoa by using fluorescence microscopy. J Vet Sci 13(3), 315-322.

Renner-Müller I, Schenkel J, Aigner B (2012): Typen gentechnisch veränderter Tiere. Versuchs-tierkundliche Informationen der Gesellschaft für Versuchstierkunde, elektronische Publikation http://www.gv-solas.de/auss/gen/gen_Typen0312.pdf ISBN 978-3-943445-00-8

Ramin M, Bürger A, Hörlein A, Kerkau D, v. Walcke-Wulffen V, Nicklas W, Schenkel J (2014): Stability of cryopreserved samples of mutant mice. Biopreserv Biobank 12(5), 343-350.

Ramin M, Denk N, Schenkel J (2015): The role of diet and housing-temperature in the production of genetically modified mouse embryos and their developmental capacity after cryopreservation. Theriogenology 84, 1306-1313

Ramin M, Holland-Letz T, Schwab A, Schenkel J (2017): Age-Related Yields of Mouse Sperm and Oocytes. J Anim Res Nutr. 2: 22

Bajerski F, Bürger A, Glasmacher B, Keller ERJ, Müller K, Mühldorfer K, Nagel M, Rüdel H, Müller T, Schenkel J, Overmann J (2020): Factors determining microbial colonization of liquid nitrogen storage tanks used for archiving biological samples. Appl Microbiol Biotechnol, 104(1):131–144

Voggenreiter T, Laport E, Kahn- Schapowal B, Lang J, Schenkel J (2021): Simulation of air travel related irradiation exposure of cryopreserved mouse germplasm samples. Biopreserv Biobank 19(4):280-286

Kontakt

Ansprechpartner: Prof. Dr. J. Schenkel

Deutsches Krebsforschungszentrum W430
Im Neuenheimer Feld 280
D – 69120 Heidelberg

Tel.: +49 (0) 6221 42-3350
E-Mail: j.schenkel@dkfz.de

www.dkfz-heidelberg.de